Dürfen Zoos Menschenaffen töten? - Jane Goodall Institut - Deutschland

Dürfen Zoos Menschenaffen töten?

Orang Utan Baby in einem Zoo.

Anfang Februar wurde bekannt, dass der Zoo Basel ein wenige Tage altes Orang Utan Baby eingeschläfert hat. Als Grund dafür gab man an, es habe ohne seine Mutter – sie starb unerwartet nach der Geburt – kaum eine Chance auf ein lebenswertes Leben gehabt.

Im Dezember 2022 entkamen drei Schimpansen aus ihrem Gehege im Furuviken Zoo in Schweden. Sie wurden umgehend erschossen, unter ihnen ein dreijähriges Jungtier. Als Grund dafür wurde angegeben, man habe nicht genug Betäubungsmittel vorrätig gehabt und die Öffentlichkeit sei gefährdet gewesen. Der Furuviken Zoo war jedoch für den Winter geschlossen.

Die Folge dieser Vorfälle waren heftige und verständnislose Reaktionen aus der Öffentlichkeit, vor allem Tier- und Naturschutzgruppen meldeten sich zu Wort.

Der BOS (Borneo Orang Utan Survival e. V.) z.B. führte an, man habe bereits zur Genüge bewiesen, dass in den Schutzstationen handaufgezogene Orang Utans nicht nur ein lebenswertes Leben haben können, sondern u.U.  sogar erfolgreich ausgewildert werden können.

Was entflohene Schimpansen betrifft, so gibt es unzählige Beispiele dafür, dass sie von ihren Vertrauenspersonen davon überzeugt werden können, freiwillig in ihre Gehege zurückzukehren. Funktioniert das nicht, kommt eine Intervention mit Betäubungsmitteln zum Einsatz. Ein Erschießen ist nur dann gerechtfertigt, wenn unmittelbar Gefahr für Menschen besteht. Unzureichende Vorräte an Betäubungsmitteln sind kein Grund.

Auch wurde wiederholt der Begriff „Euthanasie“ für das Töten von gesunden Zootieren kritisiert. „Euthanasie“ (griech: Sterbehilfe) suggeriert, dass es sich hier um ein Töten im Interesse des Individuums handelt, um ihm z.B. vermeidbares Leiden zu ersparen oder den Sterbeprozess abzukürzen. Dies war in den beschriebenen Fällen aber keineswegs der Fall.

Jane Goodall äußert sich zum Tod des Orang Utan Babys im Zoo Basel wie folgt:

“It is unconscionable that the zoo would make the decision to kill the baby without consulting as many organisations as possible. That killed infant was an individual and it is not possible to say that he or she could not have enjoyed life, even if it was a non-conventional life.”

„Es ist unverantwortlich, dass der Zoo ( Basel) diese Entscheidung traf, ohne so viele Organisationen wie möglich zu konsultieren. Dieses getötete Kleinkind war ein Individuum und man kann nicht unbedingt sagen, dass er oder sie nicht das Leben hätte genießen können – selbst wenn es ein unkonventionelles Leben gewesen wäre.“

Dr. Marc Bekoff (gründete vor Jahren mit Jane Goodall EETA‚ Ethologists for the Ethical Treatment of Animals’) schlägt stattdessen in seinem Statement den Begriff „Zoothanasie“ für das Töten von gesunden Tieren in Zoos vor.

Dort werden regelmäßig Tiere getötet, sei es, um ‚überzählige‘ Tiere an Fleischfresser verfüttern zu können, sei es, um Platz zu schaffen oder wenn Nachkommen geschützter Arten genetisch nicht weiter wichtig für die Zucht sind. Jedes im Zoo gehaltene Tier stellt zudem auch einen Kostenfaktor dar. Dieses Thema ist schon länger Anlass für Diskussionen auf vielen Ebenen.

Auch das Jane Goodall Institute Global meldet sich anlässlich der jüngsten Tötungen mit Statements zu Wort:

Zu Zoo Furuviksparken: 

https://www.thejanegoodallinstitute.com/statement-on-the-killing-of-chimpanzees-in-swedish-eaza-zoo-furuviksparken

Zu Zoo Basel:

https://www.thejanegoodallinstitute.com/jgi-statement-on-the-death-of-a-baby-orangutan-in-switzerland

 

Deutsche Übersetzung diese Statements:

Mit großer Bestürzung haben wir vernommen, dass mindestens drei Schimpansen nach der Flucht aus ihrem Gehege erschossen worden sind. Drei weitere seien noch innerhalb des Gebäudes eingeschlossen. Dies ereignete sich am 14. Dezember 2022 im Furuviksparken Zoo, Schweden.

Das Management des Zoos verkündete, Erschießen sei (…) die einzige Lösung, sollten Schimpansen in den Park entkommen. Tranquilizer seien aus Stressgründen keine Option für die Schimpansen. Es wurde auch angegeben, dass nicht genug Anästhetika vorrätig gewesen seien, um die Schimpansen mit Narkosepfeilen zu immobilisieren.

Das Jane Goodall Institute verurteilt nachdrücklich jegliches Erschießen von Schimpansen in menschlicher Obhut. Es muss immer für Alternativen gesorgt sein.

Wir betonen die wichtige Rolle, die Pfleger spielen können, wenn es darum geht, Schimpansen zurück in ihre Gehege zu führen. Zoos sollten stets genug Anästhetika vorrätig halten, um solche Tragödien vermeiden zu können. Dieser EAZA-Zoo (Mitglied der European Association of Zoos and Aquaria) war für den Winter geschlossen. Bei einem der Opfer handelte es sich um einen Dreijährigen (Anm. d. Red.: im Alter von drei Jahren sind Schimpansenkinder noch größtenteils abhängig von ihrer Mutter).

Das Erschießen von Schimpansen sollte nur einen absolut letzten Ausweg angesichts direkter Gefährdung von Menschen darstellen. Von dem, was wir beurteilen können, war dies in diesem Falle äußerst fraglich.

Weiter sollten Zoos davon absehen, das Wort „Euthanasie“ (griech.: „Sterbehilfe“) für das Töten von Schimpansen und anderer Tiere zu verwenden. Dieser irreführende Ausdruck suggeriert, dass es sich um eine Handlung im Interesse des Individuums selbst handele.

Auch verlangt das Jane Goodall Institute mit Nachdruck, dass die EAZA ihre Politik des Tötens gesunder Tiere aus Gründen des Zoo-Managements umgehend beendet.

Wenn ein Zoo darauf besteht, die Tötung entkommener Tiere sei die einzige Lösung, dann sollte er nicht das Recht haben, diese Tiere überhaupt zu halten.

Schimpansen in menschlicher Obhut sollten stets die beste Pflege und ein gesichertes Heim haben. Man kann nie garantieren, dass die hochintelligenten Schimpansen nicht doch einen Weg finden, aus ihrem Gehege zu entkommen, sei es im Zoo oder in einer Schutzstation. Deshalb sollte es immer ein Procedere geben, das es in enger Zusammenarbeit mit den Pflegern ermöglicht, die Schimpansen davon zu überzeugen, in ihre Gehege zurückzukehren.

Es gibt viele Beispiele dafür, dass entkommene Schimpansen sicher wieder rückgeführt werden konnten, auch ohne den Einsatz von Anästhetika. Sollte dies einmal nicht möglich sein, sollten stets genügend Betäubungsmittel vorrätig und Pfleger darin trainiert sein, entkommene Tiere mit Narkosepfeilen zu immobilisieren.

Anhand der Kommunikation des Furuviksparken Zoos lässt sich keine Erklärung für die Gründe dieser schrecklichen Tragödie erkennen. Aus diesem Grunde verlangen wir eine tiefgreifende Untersuchung und Evaluation durch eine unabhängige Organisation.

Was die drei noch lebenden Schimpansen betrifft, fordern wir das Management des Furuviksparken Zoo dringend auf, Vorkehrungen zu treffen, um die Wiederholung einer solchen Situation um jeden Preis zu vermeiden. Innerhalb des internationalen Netzwerkes existiert genügend Expertise, die der Zoo nutzen sollte, um eine Situation wie diese kontrolliert angehen und die Sicherheit von Schimpansen und auch Menschen aufrechterhalten zu können.

Wir habe erfahren, dass der Zoo Basel kürzlich ein vier Tage altes Orang Utan Baby getötet hat, nachdem seine Mutter, Revital, unerwartet verstorben war.

Wir betrauern den Verlust der Mutter und ihres Babys. Überdies verurteilen wir ausdrücklich die unnötige Entscheidung des Zoo-Managements, Revitals Baby zu töten.

Der Zoo hätte stattdessen sofort die Pflege des Babys übernehmen und gleichzeitig andere Zoos und Schutzstationen konsultieren müssen, um Optionen für die Zukunft des Kleinen zu prüfen.

Die Annahme, handaufgezogene Orang Utans seien nicht imstande, in sozialen Gruppen zu leben oder sich fortzupflanzen, trifft nicht zu.

Patti Ragan, Gründerin des Center for Great Apes, hat mehr als dreißig Orang Utans, fast alle jahrelang handaufgezogen, in ihrer Schutzeinrichtung aufgenommen. Sie bestätigt, dass diese Orang Utans dort erfolgreich in Paaren oder kleinen Gruppen leben. Ein Paar hat sogar ein Baby gezeugt und erfolgreich aufgezogen (dies allerdings infolge einer unerfolgreichen Geburtenkontrolle im Center of Great Apes).

Einige Zoo-Manager glauben daran, dass die Tötung junger und gesunder Tiere eine verantwortbare Art und Weise sei, Zoo-Populationen zu managen. Aus Mangel an Platz und fehlenden Mitteln oder sogar als eine Form der Bereicherung (Enrichment).

Wir glauben nicht, dass dies eine akzeptable Lösung ist: Jedes dieser empfindsamen Tiere sollte als solches respektiert werden. Kein Tier sollte getötet werden, ohne dass bewiesen werden kann, dass es im besten Interesse des Tieres geschieht – wenn das Tier unheilbare physische Probleme hat, die erhebliche Schmerzen verursachen oder den Zustand des Tieres immer weiter verschlechtern. Es liegt in der Verantwortung der Zoo-Gemeinschaft, nur dann Tiere zu züchten, wenn sie ihnen auch ein glückliches und erfülltes Leben bieten können.

Wenn dies nicht möglich ist, sollte die Zucht der Tiere eingestellt und diese entweder weiter gehalten oder für den Rest ihres Lebens in eine gute Schutzeinrichtung abgegeben werden.

Die Tötungs-Politik gesunder Tiere steht diametral den Anstrengungen entgegen, die viele akkreditierte Zoos und Schutzeinrichtungen auf der ganzen Welt unternehmen, um jedem einzelnen Tier in ihrer Obhut zu helfen. Zahlreiche Orang Utan-, Schimpansen- und andere Menschenaffenbabys werden in Schutzeinrichtungen in Afrika und Indonesien gebracht, wo Pfleger sich aufopfernd ihrer annehmen, um ihnen ein erfülltes Leben zu ermöglichen.

Wir haben Hochachtung vor dem Einsatz dieser Pfleger, die verwaisten Menschenaffenkindern Rund-um-die-Uhr-Pflege ermöglichen, bis sie mit Artgenossen vergesellschaftet werden können. Solche Handaufzuchten begannen ein neues Leben in den Einrichtungen und einige konnten sogar erfolgreich ausgewildert werden und leben heute ihr eigenes Leben in ihrem natürlichen Habitat, unabhängig von und nicht interessiert an Menschen. Des Weiteren sind alle Menschenaffenarten vom Aussterben bedroht und Orang Utans sogar stark gefährdet.

Der Zoo Basel hätte sich die Zeit nehmen müssen, um eine Lösung für Revitals Baby zu finden. Dieses Baby hätte einen warmen Empfang in einem anderen Zoo oder einer Schutzeinrichtung verdient gehabt, auch wenn dies eine Zeitlang Pflege durch einen menschlichen Pfleger bedeutet hätte. Auch eine erfahrene Orang-Pflegemutter hätte dabei helfen können. Der Zeitabschnitt, währenddessen das Baby von Menschen aufgezogen worden wäre, hätte den Erfolg eines solchen Transfers nicht gefährdet. Aber keine dieser Chancen wurde wahrgenommen. Das Baby wurde im Alter von vier Tagen getötet – eine Zeit, die für eine alternative Lösungsfindung nicht ausreichte.

Wir fordern die internationale Zoogemeinschaft dringend auf, die Politik der Tötung gesunder Tiere abzuschaffen. Es sollte für jeden Zoo eine Ehre sein, für individuelle Tiere sorgen zu dürfen. Jeder Zoo und jede Schutzeinrichtung sollten sich der Verantwortung für die Individuen verpflichten, die sie ausstellen. Diese Tiere sind kein Eigentum und Entscheidungen sollten im besten Interesse dieser Individuen selbst getroffen werden. Zahlreiche Menschenaffenkinder hatten Glück und führen heute auch nach einer Periode der Handaufzucht ihr eigenes Leben in sozialen Gruppen in Schutzeinrichtungen auf der ganzen Welt.

“Es ist unverantwortlich, dass der Zoo (Basel) diese Entscheidung traf, ohne so viele Organisationen wie möglich zu konsultieren. Dieses getötete Kleinkind war ein Individuum und man kann nicht unbedingt sagen, dass er oder sie nicht das Leben hätte genießen können – selbst wenn es ein unkonventionelles Leben gewesen wäre.“  Dr. Jane Goodall

Unterschrieben von den Mitgliedern des Global Ethics Committee oft the Jane Goodall Institute: Dr. Jane Goodall, Dr. Marc Bekoff, Dr. Kerry Bowman, Chris Heyde, Dr. Koen Magodt, Mary Peng und Dr. Rick Quinn

Text und Übersetzung: Dr. Ulrike Beckmann, Jane Goodall Institut Deutschland

Kontakt Jane Goodall Institute Global: Dr. Koen Magodt 

 

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