Gärten aus Stein – muss das sein? - Jane Goodall Institut - Deutschland

Gärten aus Stein – muss das sein?

Statt Rasen Kies und Steine

Foto: Dietmar Oeliger, NABU

Ein Gespräch mit Marja Rottleb vom NABU.

Ist es nicht herrlich wenn man einfach mal zur Ruhe kommen möchte, sich schön in den Garten setzt und den Blick auf ein Meer von Grau, Weiß und Schwarz streifen lässt? Es ist ja allgemein bekannt: Grau – Die Farbe der Hoffnung und Freude. Spaß beiseite, Geschmäcker sind verschieden und das ist auch in Ordnung, aber “mein Garten” ist eben nicht nur “mein Garten”. Er ist das Wohn- und Esszimmer vieler Lebewesen. 

“Gärten des Grauens” werden Steingärten auch häufig genannt, wobei hier eigentlich von “Schottergärten” die Rede ist. Im Gegensatz zu Steingärten kommen hier kaum oder gar keine Pflanzen vor und der Mutterboden ist mit einem Vlies vollkommen abgedeckt. Kies und größere Steine, gelegentlich auch Skulpturen werden auf diesem Vlies verteilt. Vielen gefällt die minimalistische Optik und versprechen sich weniger Arbeit. Aber ist der Schottengarten wirklich pflegeleichter? Woher kommen die Steine eigentlich und welche unerwarteten Nebeneffekte sind zu erwarten?

Hallo Marja, schön dass du Dir die Zeit nimmst. Jeder kann seinen Garten ja gestalten, wie er möchte. Wo liegt denn beim Steingarten das Problem?

Klar, wir sind auch dafür, dass jede*r seinen Gartentraum erfüllt bekommen, allerdings nur solange, wie er oder sie anderen Menschen oder Tieren damit keinen Schaden zufügt und das ist beim Schottergarten leider der Fall.

Was man sich und seinen Mitmenschen (und Tieren) damit antut, ist vielen nicht klar. Daher möchten wir einfach aufklären und die Menschen dazu animieren, ihre Entscheidung rückgängig zu machen, bzw. einen Kompromiss zu finden, der ihnen den Traum vom pflegeleichten Vorgarten doch noch erfüllt, ohne Insekten, Vögeln, dem Grundwasser und dem Mikroklima damit den Docht auszumachen.

Woher kommen denn die Steine in der Regel?

Das ist leider oft sehr schwer nachzuvollziehen. Die Anbieter deklarieren die Steine oft nicht genau. Woher der Kies kommt und wie er abgebaut wurde, ist oft nicht zu recherchieren. Dann könnte man sagen, kauft man regional, aber auch das ist inzwischen ein Problem geworden. Kiesabbau regional kann ebenfalls zu großen Problemen führen. Kies liegt unter Wiesen und Äckern verborgen und muss, um abgebaut, erst mal ausgegraben werden. Wertvolles Weideland, Äcker und Trinkwassergewinnungsgebiete mussten daher schon weichen. Zudem erfüllt Kies im Boden die Funktion eines Filters für Niederschläge, die durch ihn langsam versickern können und so ins Grundwasser gelangen, welches uns als Trinkwasser dient. Wir haben nichts mehr zu trinken, die Keller laufen voll weil das Wasser nicht mehr versickern kann und unser Essen können wir auch nicht mehr anbauen auf den Äckern. Zu allem kommt noch, dass nicht nur die Gärtner*innen den Kies wollen, sondern auch die boomende Baubranche. Der Druck ist also groß.

Heizen sich die Steine im Sommer wirklich so sehr auf?

Ein klares Ja. Messungen in der Stadt Erfurt haben ergeben, dass bei einer Außentemperatur um die 29°C die Temperatur des Schottergartens in der Sonne bis zu 50°C, andere Messungen sogar bis zu 70°C ansteigen kann. Wer sich also gern Spiegeleier im Vorgarten brät kann dies mit einem Schottergarten tun. Die hohen Temperaturen entstehen durch mehrere Faktoren. Der Schatten der Pflanzen fehlt, die Steine heizen sich auf in der Sonne (geben die Hitze nachts wieder ab, was ein weiteres Problem darstellt) und die Verdunstungskühle der Blätter von Pflanzen und des Bodens fehlen, diese entsteht durch die Verdunstung von Wasser über die Oberfläche der Blätter und des feuchten Bodens.

Statt Rasen Kies und Steine
Foto: Ulf Soltau

Spielen denn Vorgärten überhaupt eine große Rolle? So viel Platz nehmen die doch nicht ein.

Auch hier ist die Antwort “Ja”. Vielen Gärtner*innen ist nicht bewusst, wie wichtig ihr Garten im Gesamtgefüge der Umgebung ist. Rund die Hälfte der Haushalte verfügen über einen Garten. Dazu kommen noch Balkone, Terrassen, Kleingärten und Gemeinschaftsgärten.

Bundesumweltministerin Svenja Schulze: „In Deutschland verfügen etwa 36 Millionen Menschen über einen Garten. Diese Fläche stellt für die biologische Vielfalt in Deutschland ein großes Potenzial dar. In Anbetracht des vielfach belegten Insektenschwunds ist es wichtig solche Potenziale auszuschöpfen. Mit dem neuen Projekt wollen wir Natur- und Gartenfreunde zum Mitmachen anregen und Interesse und Begeisterung wecken, im eigenen Garten Lebensräume für heimische Tiere und Pflanzen zu schaffen. Solche Orte sind zugleich wertvolle Räume der Naturerfahrung. Wir stärken damit die Natur in unseren Städten und Gemeinden.“ (BfN/Projekt “tausende Gärten”, 2020)

Viele Insektenarten kommen zudem nur noch in Städten vor, denn die Agrarlandschaft bietet weder Nahrung noch Unterschlupf. Pestizide und intensiver Landwirtschaft machen Wildkräutern und den Insekten den Garaus. Städte werden also zunehmend wichtig als Lebensraum für viele Arten. Schottergärten verschlimmern die Lage der Insekten jedoch auch hier. Insekten fliegen nicht besonders weit und sind auf Nahrung in der Näheren Umgebung angewiesen. Je mehr Schottergärten es gibt, desto weiter müssen sie fliegen. Auch bodengebundene Arten scheuen die Passage der Flächen. Gärten sind also nicht nur für uns Menschen wichtig, sondern bilden ein wichtiges Netzwerk und Lebensraum für Tiere und Pflanzen.

Aber ist ein Steingarten nicht einfach viel weniger Arbeit?

Es scheint so, aber es ist nur eine Illusion. Nach ein paar Jahren (manchmal sogar nur Monaten) finden sich auch hier kleine Blätter oder anderes organisches Material ein, in dem sich Wildkräuter, Moos, Algen und andere Pioniere einfinden. Die Fläche zu reinigen ist quasi unmöglich. Zudem kommt, dass manche Kiesarten Bestandteile enthalten, die in Kontakt mit Wasser und Sauerstoff Grünspan und Verfärbungen zur Folge haben. Das ist die Natur des Steines. Also, nein, nicht pflegeleicht.

Statt Rasen Kies und Steine
Foto: NABU

Müsste ich meinen Vorgarten dann im Prinzip “verwildern” lassen? Das sieht doch total unordentlich aus.

Das muss nun auch wieder nicht sein. Es gibt langsam wachsende Pflanzen, die wenig Pflege brauchen und  trotzdem ordentlich aussehen. Eine Liste und Pflanzpläne gibt´s am Ende des Artikels.

Wäre eine einfache Rasenfläche denn besser?

Rasen ist schon mal etwas besser fürs Klima vor Ort, aber Insekten und andere Tiere haben erst etwas davon, wenn der Rasen etwas wachsen kann und kleine Blüten wie Gänseblümchen und Klee ihnen Nahrung bieten. Gießen und mähen muss man dann aber trotzdem, das ist natürlich ein Nachteil.
Wenn man sich für einen Kräuterrasen entscheidet, hat man Blüten und muss weniger Mähen und gießen. Denn Kräuter sind viel besser an Trockenheit angepasst als Gräser. Der Kräuterrasen ist daher eine gute Alternative. Auch schön und super pflegeleicht ist eine Wildblumenwiese mit heimischen Wildblumen und Gräsern.

Über welche Pflanzen freuen sich Insekten denn besonders? Kann ich einfach irgendwelche Blumen aus dem Gartencenter nehmen?

Inzwischen gibt es auch in Gartencentern Angebote für insektenfreundliche Pflanzen, allerdings sind diese oft nicht regional oder biologisch unbedenklich. Daher würden wir empfehlen, entweder die Pflanzen als Saatgut mit Zertifikat (Regiozert oder VWW) oder von einer Fach-Gärtnerei oder Baumschule zu beziehen. Hier sollte auf heimische Arten geachtet werden. Diese sind an die Insekten, Vögel und Säugetiere angepasst und dienen über das ganze Jahr als Nahrung und Unterschlupf.

Auch manche nicht heimischen Pflanzen sind nützlich für Insekten, beispielsweise Küchenkräuter wie Lavendel. Dieser kann auch gekauft werden, dann aber bitte Bio. Adressen gibt’s am Ende des Artikels.

Ich finde die Optik von Steinen aber einfach sehr ansprechend. Gibt es vielleicht eine gute Kompromisslösung?

Klar, man kann sich auch einen Alpinen Steingarten oder einen pflegeleichten Sandgarten oder einen Garten mit trockenheitsresistenten Stauden anlegen. Hier sind neben Steinen auch Pflanzen eingesetzt und der Boden ist durchlässig. Insekten und andere Tiere lieben solche Gärten.

Hast du noch einen speziellen Tipp oder etwas anderes, was du loswerden möchtest?

Gärten sind nicht nur toll für Insekten und andere Tiere, auch wir Menschen können davon profitieren. Entweder indem wir selbst aktiv werden und uns im Garten austoben, oder indem wir unseren Garten als Kontaktmöglichkeit sehen und uns helfende Hände hinzuholen. Gärten bereichern so unser Leben, eine Chance, die man doch nutzen sollte. Und spätestens bei der nächsten Hitzenacht freuen wir uns über jeden kühlen Garten.

Statt Rasen Kies und Steine
Foto: Reiner Jahn, "Gärten des Grauens"

Vielen Dank für das spannende Gespräch Marja!

Da habt ihr’s. Aus der Steinzeit sind wir doch eigentlich schon längst draußen. Legt den Insekten und Bodenbewohnern keine Steine in den Weg, sie werden es euch danken. Zwar denken viele, ihr Garten sei nur ein Tropfen auf dem heißen Stein, aber für viele Lebewesen ist es eine ganze Welt. Um die richtige Lösung für einen pflegeleichten Garten zu finden, muss man auch nicht jeden Stein umdrehen und wer ein paar wilden Blumen eine Chance gibt, der kann sich bald über spannende Insekten freuen. Also, habt kein Herz aus Stein und wer bereits einen Schottergarten hat: Wirf den ersten Stein… raus aus Deinem Garten, lass die anderen folgen, bringe Pflanzen zurück und werde mit etwas Glück in Deiner neu gewonnenen Oase steinalt.

Wichtige Tipps und Links zum Thema findet ihr nachfolgend.

Die Nachteile von Schottergärten in Kürze:

  • Teuer in Anschaffung und Pflege
  • Insekten, Vögel und andere Gartentiere finden weder Nahrung noch Lebensraum
  • Schnell unansehnlich durch Algen und Pflanzenaufwuchs (spätestens nach zwei bis fünf Jahren)
  • Regelmäßiges Reinigen nötig – Einsatz von Laubbläsern und Hochdruckreinigern kostet Energie und schädigt Kleinlebewesen
  • Einsatz von Pestiziden tötet Lebewesen
  • Schotter heizt sich im Sommer stark auf
  • Feinstaub wird nicht gefiltert, Staubbelastung steigt
  • Lärm wird verstärkt
  • Boden wird verdichtet und zerstört, später aufwändige Renaturierung nötig
  • Wasser kann gar nicht oder nur schwer versickern, Hochwasser wird begünstigt
  • Schottergärten wirken optisch monoton

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