Zoo Bremerhaven: Neugeborenes Schimpansenkind „euthanasiert“ - Jane Goodall Institut - Deutschland

Zoo Bremerhaven: Neugeborenes Schimpansenkind „euthanasiert“

Zoo Bremerhaven: Neugeborenes Schimpansenkind „euthanasiert“

Am 5. September wurde im Zoo Bremerhaven ein weibliches Schimpansenbaby geboren. Da die Mutter es nicht annahm, wurde es am 6.September eingeschläfert. Laut Pressemitteilungen wurde auf eine Handaufzucht verzichtet, da handaufgezogene Tiere kein „arttypisches Verhalten lernten“.

Der letzte Fall dieser Art ereignete sich 2023 im Zoo Basel, der ein neugeborenes Orang Utan Baby tötete, dessen Mutter verstorben war. Auch hier wurde nicht nach Alternativen gesucht, sondern umgehend gehandelt.

Dr. Jane Goodall äußerte sich damals dazu:

…„Es ist unerhört, dass der Zoo diese Entscheidung getroffen hat, ohne zuvor so viele Organisationen kontaktiert zu haben wie möglich. Dieses getötete Kleinkind war ein Individuum und es ist nicht gesagt, dass er oder sie das Leben nicht hätte genießen können, auch wenn es vielleicht ein unkonventionelles gewesen wäre.“

In der Frühzeit der Menschenaffenhaltung gelang irgendwann auch ihre Zucht und bald stellte sich das Problem ein, dass die Mütter ihre Kinder oft nicht annahmen. Diese Babies wurden dann gern von Zoomitarbeitern in ihrem Haushalt aufgenommen und an (Menschen) Kindes Stelle aufgezogen. Daraus resultierten fehlgeprägte Individuen, die im Erwachsenenalter weder mit ihrer Menschenfamilie noch mit ihren Artgenossen entsprechend umgehen konnten. Daraus hat man – auf Kosten dieser Zöglinge – viel gelernt: Auch, dass Menschenaffenmütter, ähnlich wie wir Menschen, nicht instinktiv wissen, wie man mit so einem Baby umgeht, sondern es durch Zuschauen von älteren, meist verwandten, erfahrenen Müttern erlernen müssen.

Daher resultiert wahrscheinlich die Aussage, Handaufzuchten seien heute nicht mehr üblich.

Was passierte also mit diesem Baby? Da es von seiner Mutter nicht gefüttert und nicht gehalten wurde, litt es. Damit erlöste man es von seinem Leid, wenn man es „euthanasierte“.

Ist das eine einfache, saubere Lösung?

Nein, denn wir haben inzwischen sehr viel mehr über unsere nächsten Verwandten gelernt, die sich in weniger als 2% ihres Genoms von uns unterscheiden:

Menschenaffen sind fühlende Wesen mit einem komplizierten Familien- und Sozialleben, fähig zu anspruchsvollen Problemlösungen, Trauer, Freude Erinnerungsvermögen und strategischem Verhalten.

„Je mehr wir lernen, desto undeutlicher wird die Trennlinie zwischen ‚ihnen‘ und ‚uns‘.“

Die konkrete Umsetzung dieses Wissens ist aber oft an Orten, an denen wir Menschenaffen halten, noch nicht angekommen. Hier bestimmen noch immer die jeweiligen „Umstände“, wie Platzmangel, Zuchtwert und Finanzen, über Leben und Tod der einzelnen Individuen.

Inzwischen existieren aber auch Einrichtungen, sogenannte „Sanctuaries“, die sich um Aufzucht und Rehabilitierung von Menschenaffen kümmern und hier auch schon jahrzehntelange Erfahrungen sammeln konnten. Meist -nicht immer-  liegen sie zwar in den Herkunftsländern und kümmern sich vor allem um Affen, die vor Ort gerettet werden müssen, aber das Know How existiert und könnte – allerdings nur mit vereintem Aufwand – auch hier bei uns umgesetzt werden.

Dahin ist es noch ein weiter Weg.

Deshalb bleibt uns nur anzustreben, dass bei der Menschenaffenhaltung in Zoos – und das gilt auch für diverse andere Spezies – nur dort gezüchtet werden darf, wo auch verantwortlich und vorausschauend mit den „Zuchtprodukten“ umgegangen werden kann, auch wenn sie das falsche Geschlecht oder ein uninteressantes Genom haben – oder eben plötzlich verwaisen.

Im Umkehrschluss sollte Zucht nicht dort stattfinden, wo Probleme schon vorhersehbar sind.

Autorin: Dr. med. vet. Ulrike Beckmann,Vorstandsvorsitzende & Wissenschaftliche Beratung Jane Goodall Institut Deutschland e. V.

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