Zoonosen – wie wir Pandemie-Geprüften inzwischen längst wissen – werden vom Tier auf den Menschen und umgekehrt auch vom Menschen auf das Tier übertragen. Dies gilt für 60% aller infektiösen Erkrankungen beim Menschen. Im Grunde gab es so etwas schon immer, denke man nur an Pest, Tuberkulose,Tollwut, Ebola oder HIV. Es geht aber auch alltäglicher: Salmonellen, Giardien oder Bandwürmer z.B. erfreuen sich bei uns eines regen Austausches.
Mit BSE landete bereits vor einigen Jahren eine bedrohliche Zoonose auf unserem Teller. Neu an der aktuellen Zoonose COVID 19 ist ihre praktisch zeitgleiche weltweite Ausbreitung. Gründe dafür sind ihr Übertragungsweg, ihr Ansteckungspotenzial, vor allem aber unsere weltweiten Aktivitäten, Kontakte und Verknüpfungen, die eine solche Verbreitung überhaupt ermöglicht haben. Unsere Versuche, die Infektionen zu begrenzen, verursachen gerade epochale Schäden in fast allen unserer Lebensbereiche.
Wann können wir endlich wieder zurück in unsere alte Normalität?
Viele fragen sich, wann es wieder soweit sein wird, dass man ein ‘normales Leben’ wie zuvor führen kann und wie wir wirtschaftlich wieder auf die Beine kommen. Sehr wenig wird allerdings diskutiert, dass unser altes normales Leben uns genau dahin geführt hat, wo wir gerade sind. Dass wir Gefahr laufen, sehr bald in eine neue Pandemie-Situation zu schlittern, wenn wir so weitermachen wie zuvor. Dieses Mal waren die Ursache vielleicht die Wildtier-Waren auf einem Markt in China und wir können uns mit Grauen abwenden angesichts dessen, was wir da alles nie essen würden. Erreicht hat uns das Virus trotzdem. Möglicherweise findet die nächste Runde aber auch direkt vor unsere Haustür statt. Beispiel Vogelgrippe: In den letzten Jahren betraf sie Wildvögel und unser Hausgeflügel, dieses Jahr ging sie in mehreren Fällen auf Menschen über. Die ungezählten Millionen von Hühnern, Puten, Schweinen, Rindern, Fischen und Pelztieren, die wir unter äußerst unnatürlichen Bedingungen auf engstem Raum industriell halten, sind ideale Reservoire für Erreger und bieten die besten Voraussetzungen für Mutationen. Wie einfach eine Ansteckung in einer solchen Umgebung funktioniert, haben wir letztes Jahr anlässlich der Skandale um die Pelztierfarmen oder die Fa. Tönnies gelernt. Die möglichen Reservoire und Vektoren sind aber noch ungemein vielfältiger: Herstellung und Konsum von Fleisch-, Eier- und Milchprodukten, Fäkalien im Boden und Grundwasser, Erreger im Tierfutter etc. Wir selbst als riesige, eng aufeinanderlebende Population sind dann ebenfalls ein idealer Multiplikator und Mutationsbasis.
Was kann ich da schon tun?
In den letzten noch funktionierenden Ökosystemen werden noch immer ca 1,7 Mio unbekannter Erreger aller Art vermutet, die Hälfte davon früher oder später für den Menschen infektös. Die Zerstörung dieser Ökosysteme – nicht nur in fernen Ländern – befördert diese Erreger mitten zwischen uns, wo sie beste Bedingungen finden können. Was das bedeuten kann, erleben wir gerade hautnah.
Wir können nicht mehr zurück zu unserem alten 'Normal'.
Inger Andersen, Exekutiv-Direktorin des UN Umweltprogramms
Schnelles Umdenken ist gefordert, Agieren statt Reagieren: Politische Massnahmen müssen greifen. Es geht um den Handel und den Konsum von Wildtieren und ihren Produkten weltweit und Strafverfolgung von Wildtierkriminalität.
Unbedingter Schutz von Biodiversität und Lebensräumen national und international muss erste Priorität haben. In der industriellen Tierhaltung brauchen wir eine radikale Reduktion von Tiermengen und Veränderung ihrer Haltungsbedingungen. Institutionelle Massnahmen müssen sofort einsetzen: Agrarwende, Mobilitätswende, Energiewende, ökologischere Lieferketten, One Health Programm der UN.
Kurz gesagt: Alles, was der Natur hilft, hilft uns gegen eine neue Pandemie.
Jeder, der sich gegen Naturzerstörung einsetzt, kann dazu beitragen. Jeder Einzelne von uns kann täglich bewusst handeln, im Kleinen wie im Großen.
Frei nach Jane Goodall: We have a choice, every day.
